In der wöchentlichen Kolumne schreiben wir im Wechsel über Innovations- und Wirtschaftstrends in Asien.
(Foto: Klawe Rzeczy)
Tokio In Ostasiens Halbleiterindustrie wird heftig um Ingenieure gerungen. Nachdem diese aus Taiwan Starthilfe für Chinas Chipindustrie gegeben haben, scheinen die Regierungen in Taiwan und Südkorea nun fest entschlossen, mit juristischen und personalpolitischen Mitteln die Aufholjagd des mit Sanktionen oder gar kriegsgefährdenden Nachbarn zu verhindern.
Vor kurzem führte Taiwans Polizei die bisher größte Razzia gegen chinesische Technologieunternehmen durch. Sie stehen im Verdacht, gegen die Vorschriften zur Abwerbung taiwanischer Fachleute zu verstoßen. Mit der Durchsuchung bei acht Unternehmen unterstrichen die Regierung, dass sie es ernst meint im Kampf um Hightech-Talente mit der chinesischen Diktatur.
Bereits voriges Jahr verbot die Regierung chinesischer Unternehmen, direkt oder indirekt über Scheinfirmen taiwanische Fachleute anzuwerben. Auch der Verkauf von Tochtergesellschaften taiwanischer Unternehmen an Firmen vom „Festland“ muss genehmigt werden.
Hintergrund ist eine aus taiwanischer Sicht leidvolle Erfahrung: Ein Topmanager aus Taiwan, der über Texas Instruments zum weltweit größten und taiwanischen Auftragsfertiger TSMC gekommen war, gegründet im Jahr 2000 Chinas Auftragsfertiger SMIC.
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Dabei befindet sich Taiwan in dem Kampf längst nicht mehr allein. Denn auch Südkorea versucht mit einer konzentrierten Aktion von Regierung und Konzernen, die Abwanderung von Fachleuten in systematischen Industrien zu verlangsamen.
Ein wichtiger Pfeiler ist die Methode, die hohen Ansprüche, die chinesischen Unternehmen Experten bieten, mit hohen Bonuszahlungen zu begegnen. Die Speicherchipsparte des größten Chipherstellers der Welt, Samsung Electronics, hat seinen Mitarbeitern vergangenes Jahr nicht nur wie üblich sechs Monatsgehälter als Bonus gegeben, sondern elf.
Südkorea: Früher einstellen, später in Rente
Doch darüber hinaus entwickeln sich Politik und Personalabteilungen kreativere Formen der Mitarbeiterbindung. Die Regierung will eine Datenbank von in koreanischen Unternehmen beschäftigten Fachleuten in zwölf nationalen Schlüsseltechnologien aufbauen. Dabei sollen ihre Reisen aufgezeichnet werden, um den Fortgang intellektuellen Eigentums nachzuvollziehen und einzudämmen.
Außerdem erlaubt ein neues Gesetz den Unternehmen, talentierten einheimischen Nachwuchs quasi schon in der Oberschule einzustellen. Konzerne können inzwischen zusammen mit Universitäten Stipendien und vor allem Ausbildungsprogramme einrichten, die Oberschüler teilweise sogar vor den Aufnahmeprüfungen der Hochschulen annehmen.
Samsung arbeitet beispielsweise bereits mit der Sungkyunkwan- und der Yonsei-Universität zusammen, der Lokalrivale SK Hynix mit der Korea-Universität. Andere Hochschulen wollen ebenfalls zu gesponserten Talentscouts werden. Damit könnte schon die Wahl der Hochschule über den späteren Arbeitgeber entscheiden.
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Doch die Unternehmen wollen nicht nur früher anheuern, sondern auch später feuern. Fähige Fachkräfte sollen über das firmeninterne Verrentungsalter, das oft bei 60 Jahren liegt, weiterbeschäftigt werden. Denn die Südkoreaner wissen aus eigener Erfahrung, dass gerade die Tatendürstigsten dieser Altersgruppe gute Entwicklungshelfer darstellen. Das Land hat seine Entwicklung schließlich selbst mit Personalimport beschleunigt.
Dass der einstige Lehrmeister Japan bei Autoakkus, Chips, Displays und Smartphones überholt wurde, ist auch zu Teil dem Abwerben japanischer Fachkräfte zu verdanken, die sich in ihrer Karriere noch einmal neu verwirklichen wollten.
Südkorea hat sich dabei nicht auf japanische Rentner beschränkt. Die südkoreanische Autogruppe Hyundai Motor etwa wurde mithilfe deutscher Automanager wie Albert Biermann in die Weltspitze geführt. Dieses Jahr tritt der jetzt 65-Jährige in den Ruhestand.
Wie schmerzhaft die Personalabwanderung sein kann, merken die ostasiatischen Länder nun, wo sie selbst Spitzenreiter sind. Ob sie im globalen Tauziehen um knappe Arbeitskräfte mehr Erfolg haben werden als früher Japan, muss sich allerdings noch zeigen.
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Quelle: www.handelsblatt.com