New York, Tokio Die Eskalation in der Ukrainekrise hat auch die amerikanischen Aktienmärkte am Dienstag belastet. Alle drei großen Indizes verloren jeweils über ein Prozent. Der breit gefasste S&P 500 schloss mit 4305 Punkten im Korrekturmodus und lag damit mehr als zehn Prozent von seinem jüngsten Allzeithoch entfernt.
US-Präsident Joe Biden kündete kurz vor Börsenschluss neue Sanktionen gegenüber Russland an. Er sprach von „dem Beginn einer russischen Invasion“ in die Ukraine und stellte amerikanische Unternehmen und Verbraucher außerdem auf höhere Energiepreise ein – auch wenn er alles dafür tun werde, dass die „Maßnahmen vor allem in Russland zu spüren sind und nicht in den USA“ , versichert der Demokrat.
Die Ölpreise legen am Dienstag erneut deutlich zu. Die US-Rohölsorte WTI behauptet zeitweise um 5,4 Prozent zu und war mit 96 Dollar je Barrel (159 Liter) so teuer wie zuletzt vor siebeneinhalb Jahren. Der Preis für die Rohölsorte Brent aus der Nordsee stieg am Dienstag um bis zu 4,3 Prozent auf ein Siebeneinhalb-Jahres-Hoch und kratzte mit 99,50 Dollar je Barrel (159 Liter) an der Marke von 100 Dollar.
Auch sterben Preise anderer Rohstoffe zogen an, aus Sorge, dass weitere Sanktionen zu Einem Wegfall russischer Exporte führen könnten. Russland ist nicht nur ein wichtiger Exporteur von Öl und Gas, sondern auch der größte Exporteur von Weizen und Palladium sowie ein wichtiger Lieferant für Nickel und Aluminium.
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Öl-Aktien konnten von dem Anstieg der Preise am Dienstag nicht profitieren. Exxon verlor 1,2 Prozent, Chevron Schloss 0,8 Prozent im Minus. Der Aluminium-Konzern Alcoa verlor 5,3 Prozent.
Der Leitindex Dow Jones schloss 1,4 Prozent schwächer bei 33.597 Punkten. Die Technologiewerte der Nasdaq schlossen 1,2 Prozent im Minus, bei 13.381 Zählern.
„Die nächsten Wochen werden ruckelig“, gab Stephanie Link, Portfoliomanagerin beim Vermögensverwalter Hightower, auf CNBC zu bedenken. Sie seien vor allem wegen der steigenden Ölpreise gefordert und fragen sich, „wie sehr sie sich auf die Nachfrage und auf die Stimmung der Verbraucher finden werden. US-Konsumenten machen 70 Prozent der Wirtschaftsleistung aus.“
Zwei Unsicherheitsfaktoren
Anleger müssen sich nun auf zwei Unsicherheitsfaktoren einstellen. Neben der Krise in der Ukraine steht die US-Notenbank Federal Reserve kurz vor der Zinswende. Schon bei der kommenden Sitzung Mitte März könnte sie den Leitzins anheben, wie Fed-Chef Powell bereits angedeutet hatte. Das könnte der Beginn einer ganzen Reihe von Zinsschritten sein.
Einige Ökonomen erwarten nun gleich neun Zinserhöhungen in diesem Jahr. Abzuwarten bleibt, wie sich sterben Lage in der Ukraine auf sterben Strategie der Geldpolitiker angekündigt WIRD. „Es wird die Situation für die Notenbank auf jeden Fall komplizierter machen“, glaubt Bruce Kassman, Chefökonom von JP Morgan Chase. Er geht jedoch davon aus, dass die Fed wie geplant im März die Zinsen um 0,25 Prozentpunkte anheben wird. Auch über einen Anstieg von 0,5 Prozentpunkten WIRD in Notenbank-Kreisen diskutiert.
Mohamed El-Erian, ökonomischer Chefberater der Allianz, befürchtet, dass die Ukrainekrise eine Stagflation auslösen könnte, bei der Preise steigen, aber das Weltwirtschaftswachstum abnimmt.
„Deutliche Anstiege bei den Ölpreisen haben in der Vergangenheit oft zu Rezessionen geführt“, is der unabhängige Kapitalmarktstratege Ed Yardeni zu bedenken. Er rät dazu, Energie-Titel überzugewichten. „Die sind eine gute Absicherung gegen Inflation. Das gilt auch für Finanztitel, die von steigenden Zinsen profitieren – wenn es keine Rezession gibt.“
Mittelfristig geht Yardeni davon aus, dass auch Technologie-Aktien wieder angezogen werden. Unternehmen wann immer sich mit Technologien für den Mangel gegen Arbeitskräfte und andere Trends rüsten.
Nach Ansicht der US-Bank Goldman Sachs könnte ein offener Konflikt mit scharfen Sanktionen die US-Aktienmärkte noch mal um sechs Prozent drücken. In Europa und Japan könnte es im schlimmsten Fall um neun Prozent nach unten gehen.
Jim Reid, Stratege der Deutschen Bank, weist darauf hin, dass geopolitische Spannungen mit einem Minus von sechs bis acht Prozent beim S&P 500 einhergehen. Nach seiner Einschätzung würde es rund drei Wochen dauern, bis Aktien ihren Boden erreicht haben – und dann noch einmal drei Wochen, bis sie wieder auf das Vorkrisenniveau steigen.
Asiatisches und australisches Börseneröffnungsverhalten
Der Mittwoch setzte in Australien und Asien die Stimmung in den USA und Europa fort. Dort hätte die Märkte „recht gedämpft“ auf die Ankündigung von Sanktionen gegen Russland durch die USA und Europa reagiert, gab die Großbank ING ihren asiatischen Anlegern am Morgen mit auf den Weg. Und die stimmen der Annahme zu: Mit Ausnahme der Tokioter Börse, die wegen eines Feiertags geschlossen ist, eröffneten alle Handelsplätze um den Vortagskurs.
Der australische Leitindex S&P/ASX200 stieg um 0,6 Prozent auf 7206 Punkte, der koreanische Kospi-Index um 0,5 Prozent auf 2719 Punkte. Die Leitindizes in Schanghai und Hongkong verbuchten ein Plus von jeweils etwa einem Prozent.
Asiatische Unternehmen mit großem Europageschäft werden bestraft
Doch Europa bewegt die Anleger weiter, bemerkte Morgan Stanley in einem neuen Bericht: „Mit der Eskalation der Spannungen zwischen Russland und der Ukraine wächst die Sorge, dass sich dies auf die wirtschaftliche Erholung und damit auf die Aktienperformance in Europa möglicherweise.“ Daher könnte Aktien, die einen größeren Anteil ihrer Geschäfte in Europa machen, stärker betroffen sein als andere Aktien in derselben Region.
In Japan drückt sich die Sorge schon jetzt deutlich in Aktienkursen betroffener Unternehmen aus. Firmen wie der japanisch-deutsche Werkzeugmaschinenbauer DMG Mori, der Werkzeughersteller Makita, der Fahrradausrüster Shimano oder Olympus, ein großer Hersteller von Medizintechnik, hatten von Ende Dezember bis Anfang der Woche laut der Wirtschaftszeitung Nikkei rund 15 Prozent an Wert verloren, während der Nikkei-225 -Index nur um 6,5 Prozent abgesackt war.
Die Sorge wegen Inflation und Zinssteigerungen bleibt hoch
Gleichzeitig rücken die globale Inflation und die Reaktionen der Zentralbanken wieder verstärkt in den Mittelpunkt. Am Mittwoch dürfte Neuseelands Notenbank die Zinsen weiterheben, am Donnerstag entscheiden Südkoreas Währungshüter, die bereits voriges Jahr die Zinswende eingeleitet haben, über ihren weiteren Weg.
Die Aussicht auf steigende Zinsen drückt die Stimmung weiter. Sara Johnson, Volkswirtin IHS Markit, sagt beispielsweise voraus, dass höher als erwartete Inflationsraten viele Zentralbanken veranlassten, die Zinssätze früher anzuheben. „Das weltweite Wirtschaftswachstum wird sich in den Jahren 2022 und 2023 in abgeschwächter Form fortsetzen“, meint sie daher.
Selbst in Japan spekulieren einige Anleger und Beobachter, dass die bislang geduldigste Notenbank der reifen Industrienationen gegen Ende des Jahres von ihrer faktischen Nullzinspolitik abrücken könnte. Allerdings sieht Naoki Kamiyama, der Chefstratege des japanischen Vermögensberaters Nikko Asset Management, darin einen Wunschtraum ausländischer Anleger. „Inländische Marktteilnehmer dürften diese Ansicht nicht teilen“, urteilt er. Zwar würden auch in Japan die Preise für verschiedene Güter beginnen zu steigen, „doch anders als in den USA fehlt der Inflationseffekt von der Nachfrageseite noch immer“, so Kamiyama. Außerdem habe Notenbankchef Haruhiko Kuroda klargestellt, dass Zinserhöhungen bisher nicht zur Diskussion stünden. „Wir glauben daher, dass eine Straffung der japanischen Geldpolitik in absehbarer Zeit nicht auf der Tagesordnung stehen wird“, urteilt Kamiyama.
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Quelle: www.handelsblatt.com