Düsseldorf Als SAP das Geschäft mit Produkten für Finanzdienstleister aus dem Konzernverbund ausgliederte, erhoffte sich das Management davon mehr Unabhängigkeit und Dynamik. Finanzchef Luka Mucic sprach von einem „Schnellboot“, das der Tanker zu Wasser lassen wollte.
Das neue Unternehmen Fioneer brauchte allerdings einige Zeit, um in Fahrt zu kommen: Die Trennung von SAP war aufwendig, außerdem musste eine neue Organisation aufgebaut werden. Nun, rund acht Monate nach dem offiziellen Start im September 2021, kann das Management um Dirk Kruse erste größere Kunden präsentieren.
So nutzt das Luxemburger Start-up Como Digital Life die Anwendung Cloud for Banking, die Kernbankenfunktionen wie die Zahlungsabwicklung bietet. Und eine der größten kanadischen Banken habe sich für ein Produktpaket von SAP und Fioneer entschieden, berichtete Mucic bei der Vorlage der Quartalszahlen.
Das Geschäft entwickle sich „deutlich über den Erwartungen der Investoren“, sagte Fioneer-Chef Dirk Kruse im Gespräch mit dem Handelsblatt. Aktuelle Geschäftszahlen und Prognosen veröffentlicht das Unternehmen nicht. Im Herbst hatte es nach internen Informationen, die dem Handelsblatt vorliegen, rund 270 Kunden.
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Für Fioneer sind diese Meldungen wichtig: Es handelt sich um ein Signal an den Markt, in dem mit Temenos, Mambu und Avaloq mehrere Konkurrenten aktiv sind. Und es ist ein erster Beweis, dass die Trennung von SAP ihren Zweck erfüllen könnte: nämlich ein Geschäft, das im Konzern als vernachlässigt galt, in Schwung zu bringen.
„Deutsch über 1000 Mitarbeiter“ bis Jahresende
Im April 2021 hatte SAP angekündigt, mit der Beteiligungsgesellschaft Dediq eine strategische Partnerschaft zu schließen, um Produkte für Banken und Versicherungen außerhalb der Konzernstrukturen weiterzuentwickeln. Der Münchener Investor sagte zu, mehr als 500 Millionen Euro zu investieren. Im Gegenzug übernahm er 80 Prozent am neuen Unternehmen.
Auch Übernahmen helfen bei der Personalgewinnung.
Pikant: Die gemeinnützige Stiftung von Mitgründer, Großaktionär und Aufsichtsratschef Hasso Plattner (HPF) beteiligt sich als Kapitalgeber. Nach der Kritik wegen möglicher Interessenkonflikte kündigte die Organisation an, den Anteil an einen anderen Investor zu verkaufen. Die HPF hält rund 37 Prozent am Joint Venture, hat allerdings keine Stimmrechte.
Die Arbeit von Fioneer berührt das nicht, betont das Management. So läuft der Aufbau der Organisation: Mehr als 800 Mitarbeiter hat Fioneer, bis Ende des Jahres sollen es deutlich über 1000 sein, sagt Kruse. Auch Übernahmen helfen bei der Personalgewinnung – jüngst angekündigte die Firma etwa an, das Beratungshaus Okadis Consulting mit 40 Köpfen zu kaufen.
Im Zuge der Expansion wächst außerdem die regionale Abdeckung: Bislang ist Fioneer in zwölf Ländern aktiv, Europa sowie Nord- und Lateinamerika seien bereits gut abgedeckt, sagt Kruse. In Kürze sollen Büros in den Vereinigten Arabischen Emiraten und Südafrika eröffnen.
Fioneer entwickelt industriespezifische Lösungen, Kruse sieht vier Schwerpunkte:
- Allgemeine Finanzanwendungen – wenn beispielsweise der neue Regulierungsstandard IFRS 17 für Versicherungen zum Jahreswechsel in Kraft tritt, werden mehr als 100 Kunden dafür ein Produkt von Fioneer nutzen.
- Kernbankensysteme aus der Cloud – die Neobank Como nutzt eine solche Lösung beispielsweise für die Zahlungsabwicklung.
- Spezialanwendungen fürs Finanzwesen – etwa ein durchgängig digitaler Kreditarbeitsplatz oder eine Nachhaltigkeitslösung fürs Kreditgeschäft.
- Die Einbettung von Finanzdienstleistungen in klassische Geschäftsprozesse – ein Beispiel für „Embedded Finance“ ist eine Kreditausfallversicherung für Lieferanten, die direkt über eine Beschaffungsplattform angeboten wird.
Die Verbindung zu SAP als Verkaufsargument
Die Trennung von SAP geht im laufenden Betrieb vonstatten. „Wir wussten, dass die Abspaltung komplex sein würde, trotz der 18 Monate Vorlaufzeit“, sagt Fioneer-Chef Kruse. In Bereichen wie dem Beratungsgeschäft habe man gute Fortschritte gemacht, bei der Softwareentwicklung brauche man noch einige Monate. Anschließend gelte es, Verträge, Produkte, Urheberrechte und Programmcodes aufzuteilen – und das in einer regulierten Industrie. Im Laufe des Jahres soll der Prozess abgeschlossen sein.
>> Lesen Sie hier: „Wenn die Kunden gewinnen, gewinnen wir auch“ – Wie der Chefverkäufer den SAP-Vertrieb umkrempelt
Dabei ist die Verbindung zu SAP ein wichtiges Verkaufsargument: Fioneer nutzt bei der Produktentwicklung Technologien und Datenmodelle des Dax-Konzerns, um Kompatibilität zu gewährleisten. Auch im Vertrieb arbeiten die beiden Unternehmen zusammen. „SAP hilft uns mit ihrem Bekanntheitsgrad“, sagt Fioneer-Chef Kruse.
Geschäftszahlen macht Fioneer nicht publik. Einen Anhaltspunkt bietet der Verkaufsprospekt der Großbank UBS, die im Auftrag der Hasso-Plattner-Stiftung nach neuen Investoren sucht: Demnach verbuchte das Unternehmen im vergangenen Jahr 154 Millionen Euro Umsatz und Arbeit „an der Gewinnschwelle“.
Mehr: „Wenn die Kunden gewinnen, gewinnen wir auch“ – Wie der Chefverkäufer den SAP-Vertrieb umkrempelt.
Quelle: www.handelsblatt.com