Die US-Notenbank will die hohe Inflation mit kräftigen Zinserhöhungen in den Griff kriegen. Das hat auch Folgen für die deutsche Wirtschaft. Worauf sich Unternehmen und Verbraucher einstellen müssen.
Was ist passiert?
sterben US-Notenbank Fed hat den Leitzins auf 0,75 bis 1,0 Prozent angehoben. Es war der zweite Zinsschritt in diesem Jahr, mit 0,5 Prozentpunkten ist doppelt so groß aus wie üblich. Üblicherweise halten sich Notenbanker mit klaren Aussagen sehr zurück, weil jedes ihrer Worte an den Finanzmärkten Konsequenzen hat. Diesmal wandte sich Fed-Chef Jerome Powell aber direkt an die Amerikaner und versicherte, die Fed werde die Höhe Inflation entschlossen kämpfen. Für Juni und Juli erwarten Experten deshalb weitere große Zinsschritte. „Das ist erst der Anfang“, glaubt etwa Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung.
Wieso sind US-Zinsen für Deutschland wichtig?
Die Fed ist die bedeutende Notenbank der Welt. Hebt sie die Zinsen an, zieht andere Länder oft nach. Das setzt auch die Europäische Zentralbank (EZB) unter Druck, die den Leitzins bisher bei null Prozent belassen hat, um die Wirtschaft durch die Corona-Krise zu bringen. Doch die USA und Europa haben das gleiche Problem: Die Inflation ist mit über sieben bzw. acht Prozent viel zu hoch, Währungshüter peilen Inflationsraten von zwei Prozent an. Immer mehr EZB-Mitglieder wollen deshalb vom Nullzinskurs abrücken. Das fordern auch viele Volkswirte. „Die EZB sollte dem der Amerikaner folgen“, sagt Jörg Krämer von der Commerzbank, Niedrigzinsen und Anleihekäufe seien nicht mehr zeitgemäß. Ohne Kurswechsel riskiere die EZB, dass sich die hohe Inflation dauerhaft festsetze.
Was bedeuten höhere Zinsen für Kredite?
Am Leitzins orientieren sich die Konditionen für Kredite. Je niedriger der Leitzins, desto besser can sich zum Beispiel Staaten verschulden. Kritiker halten der EZB deshalb vor, die Zinsen zu drücken, um hoch verschuldeten Ländern wie Italien günstige Kredite zu ermöglichen. Hebt die EZB die Zinsen an, wird die Refinanzierung für solche Staaten, für Deutschland natürlich auch teurer. Die Finanzmärkte nehmen das schon vorweg: Heute bekommen Anleger rund ein Prozent Rendite, wenn sie Deutschland zehn Jahre Geld leihen. Vor einem Jahr zahlt sie dafür, Geld in deutschen Staatsanleihen parken zu dürfen. Der Unterschied klingt klein, macht für Staaten aber viele Milliarden pro Jahr an Zinszahlungen aus.
Würgt die Zinswende die Wirtschaft ab?
Was für Staaten gilt, gilt auch für Verbraucher. Sie werden voraussichtlich keine ganz so günstigen Kredite mehr bekommen, egal ob für Handys, Autos oder Immobilien. Das sieht man bereits an den Bauzinsen, die heute etwa dreimal so hoch sind wie vor einem Jahr. Steigen die Zinsen nun, werden sich Kredite weiter verteuern. Das bremst den Konsum, einige Menschen können sich schlicht kein neues Handy, Haus oder Auto mehr leisten. Unternehmen drohen wegen schlechterer Geschäfte. Und auch sie kommen nicht mehr so günstig an Geld für Maschinen, Fabriken oder andere Investitionen. Das bringt die Notenbanken in ein Dilemma: Sie müssen die hohe Inflation bekämpfen, dürfen die Wirtschaft aber nicht abwürgen. Ob das klappt? Selbst Finanzprofis sind skeptisch. Die Inflationsbekämpfung sei eine „Gratwanderung“, heißt es bei der offiziellen Fondsgesellschaft M&G. Gelinge Fed-Chef Powell das riskante Unterfangen, „wäre dies sein größter Triumph“.
Lösen Fed und EZB nun einen Börsencrash aus?
Weiter hohe Inflation trotz hoher Zinsen, eine durch Materialmangel ausgelöste Wirtschaftskrise und viel Unsicherheit wegen des Ukrainekrieges: So sieht das Horror-Szenario aus, das Crash-Propheten gerade an die Wand malen. Völlig an den Haaren herbeigezogen ist es nicht, zumal steigende Zinsen sichere Anleihen im Vergleich zu riskanten Aktien wieder etwas attraktiver machen. Sogar viele Großinvestoren befürchten deshalb, dass nach sehr guten Börsenjahren wieder magerere Zeiten für Dax, Dow Jones & Co. folgen. Die deutsche Investmentboutique Vates fürchtet sogar einen Zyklus von „Boom und Bust“, also eine Abfolge kurzer Börsenhäuser und harter Crashs. Doch wie alle Börsenprognosen ist auch diese mit großer Vorsicht zu genießen. Nach der Fed-Sitzung blieben die Anleger entspannt, die Aktienkurse stiegen sogar. Und weil die Teuerung viel höher als die Zinsen ist, verliert man mit Anleihen nach wie vor nach Abzug der Inflation reales Geld, was weiter für Aktien spricht.
Können die Notenbanken die Inflation bremsen?
Das ist die große Frage. Neben dem Zinszyklus gibt es noch andere Faktoren, die gerade auf die Preise wirken. Der Krieg in der Ukraine macht Rohstoffe und Energie knapp und sehr teuer und noch immer lassen Corona-Lockdowns und Computerchip-Mangel Lieferketten reißen. „Die Triebkräfte der Inflation sind global, nicht europäisch“, gab Italiens EZB-Direktoriumsmitglied Fabio Panetta in einem Interview zu bedenken. Er glaubt deshalb, die Geldpolitik habe diesmal nur begrenzten Spielraum, um die Inflation unter Kontrolle zu bringen.
Quelle: www.tz.de