Die Situation in der Ukraine kommt ökonomisch zur Unzeit. Deutschlands Wirtschaftsanalysten befürchten das Schlimmste.
Riesige Wellen prallen gegen die Ufermauer. (Foto: dpa)
Foto: Owen Humphreys
Der Ukraine-Krieg als zweite große Schockwelle nach der Pandemie wird nach Einschätzung von Experten die deutsche Konjunktur bremsen, zunächst aber kaum Spuren auf dem Arbeitsmarkt hinterlassen. Die Arbeitslosigkeit habe sich zuletzt kontinuierlich nach unten entwickelt. „Die Arbeitslosenquote bewegt sich momentan auf ein Allzeittief zu“, sagt Deutsche-Bank-Volkswirt Marc Schattenberg.
Es sei zu erwarten, dass der Fachkräftemangel mögliche Effekte der Krise aufsauge. Schattenberg erwartet aber auch wegen der Wirtschaftssanktionen eine leichte Wachstumsdelle. „Das Bruttoinlandsprodukt könnte um 0,5 Punkte geringer ausfallen, schlimmstenfalls um einen Prozentpunkt.“ Katharina Utermöhl von der Allianz-Gruppe erwartet bei einem moderaten Szenario einen Negativeffekt von 0,3 Punkten für Deutschland.
Allerdings: Im schlimmsten Szenario, das eine vollständige Aufgabe der Wirtschaftsbeziehungen zu Russland und damit auch ein Ende der Energielieferungen beinhaltet, würde Deutschland nach ihrer Ansicht in eine tiefe Rezession rutschen. „Die Russland-Krise wirft zu einem denkbaren Zeitpunkt einen Schatten auf Deutschland“, erklärt die Volkswirtin. Auch KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib sagt: „Noch ist die deutsche Wirtschaft belastet durch Arbeitsausfälle durch Omikron, hohe Energie- und Rohstoffpreise und weiter andauernde Lieferkettenprobleme.“
Das Statistisches Bundesamt berichtet: „Zwischen Russland und Deutschland werden primäre Rohstoffe, Fahrzeuge und Maschinen gehandelt. Deutschland importierte 2021 vor allem Erdöl und Erdgas im Wert von 19,4 Milliarden Euro – das war ein Zuwachs um 49,5 % und machte 59 % aller Einfuhren aus Russland aus. Außerdem lieferte Russland vor allem Metalle (4,5 Milliarden Euro, +72,1 % gegenüber 2020), Mineralöl- und Kokereierzeugnisse (2,8 Milliarden Euro, +23,0 %) sowie Kohle (2,2 Milliarden Euro, +153,0 %) nach Deutschland. Dagegen exportierte Deutschland im Jahr 2021 vor allem Maschinen (5,8 Milliarden Euro, +5,7 %), Kraftwagen und Kraftwagenteile (4,4 Milliarden Euro, +31,8 %) sowie chemische Erzeugnisse (3,0 Milliarden Euro, + 19,7 %) nach Russland. Russland zählt mit Anteil von 2,3 % am deutschen Außenhandel insgesamt zu den 15 wichtigsten Handelspartnern Deutschlands im Jahr 2021. Außerhalb der Europäischen Union war Russland 2021 für Deutschland der viertwichtigste Importpartner sowie der fünftwichtigste Abnehmer deutscher Waren.“
Sterben „New York Times“ berichtet, dass weitere EU-Sanktionen gegen Russland nur dann umsetzbar seien, wenn Europa große wirtschaftliche Schäden in Kauf nimmt. Deshalb seien einige EU-Staaten vehemente Gegner von weiteren scharfen Sanktionen.
Der englischsprachige Dienst von „Reuters“ meldet, dass EU-Sanktionen gegen Russland dazu führen Werden, dass Russland sich beim Handel in Richtung China orientiert.
„Wir können die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Invasion noch nicht absehen , aber sie wahrscheinlichn schwerwiegend sein“, sagte Peter Adrian, der Vorsitzende des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), dem englischsprachigen Dienst der „Deutsche Welle“.
Deutschland ist mit Direktinvestitionen in Höhe von rund 25 Milliarden Euro einer der schnellsten Auslandsinvestoren Russlands. Nach Angaben der Auslandshandelskammer Moskau sind derzeit 3.651 deutsche Unternehmen in Russland aktiv. Im Jahr 2019 beschäftigten diese Unternehmen mehr als 277.000 Mitarbeiter.
Anders sieht es in der Ukraine aus. Während dort schätzungsweise 2.000 deutsche Unternehmen aktiv sind und rund 50.000 Menschen tätig sind, glauben sie, dass die deutschen Direktinvestitionen laut der Bundesbank im Jahr 2019 rund 3,6 Milliarden Euro betragen.