500 Euro für drei Stunden Paarzeit inklusive Sex. Der Job von Callboy Kevin ist es, die Bedürfnisse seiner Kundinnen zu erfüllen. Und das kann er ziemlich gut, wie er uns erzählt hat.
Halver/Dortmund – Seine Visitenkarte liegt in Halver an einem Tresen aus: „Callboy Kevin, High Class Service.“ Eine edle schwarze Karte. Ganz diskret. Denn es geht um Sexarbeit. Ein Tabu, das Kevin bricht.
Seit rund vier Jahren ist der 41-jährige Dortmunder Callboy – aus Leidenschaft. Auch im Märkischen Kreis beglückt er regelmäßig Frauen und Paare für Geld. Tätig ist er grundsätzlich in ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz. In zwei Wochen geht es für ihn nach Barcelona – er wurde für einen Urlaub gebucht. Über Ostern war er bereits in Berlin. Erst bei einer Kundin, die ihn für drei Tage gebucht hatte, anschließend gab er einer Sexualtherapeutin aus der Hauptstadt noch ein Interview.
Die Serie: Frühlingsgefühle
Es ist Frühling geworden. Mit dem Jahreszeitenwechsel, aber auch mit den ersten spürbaren Lockerungen nach der zweijährigen Corona-Pandemie wünschen sich viele einmal mehr auch die passenden Frühlingsgefühle. Aber wie kommt man dahin? In der Serie „Frühlingsgefühle“ werfen wir einen Blick darauf, wie der Kreis flirtet und haben dazu eine Dating-App getestet. Wir geben Tipps für erste Dates in der Stadt und zeigen Orte, an denen sie stattfinden können. Wir thematisieren die unterschiedlichen Arten von Liebe, zeigen Menschen, die lange ihr Leben miteinander teilen und erklären, wie man das schaffen kann. Im zweiten Teil geht es um Liebe, die man kaufen kann. Darüber haben wir mit einem Callboy gesprochen.
Teil 1: Zwei, die sich lieben sind ein Team: Liebe gegen gesellschaftliche Vorurteile
Teil 2: Das Geschäft mit der Liebe: Callboy gibt intime Einblicke
Teil 3: Homosexualität: Was sagt die katholische Kirche zu gleichgeschlechtlichen Partnerschaften? (folgt am Mittwoch, 11. Mai)
Der Dortmunder geht offen mit seiner Tätigkeit um. Und was er zu erzählen hat, öffnet so manch einem die Augen. Vor allem aber verändert es das Bild von Menschen, die Sex – und auch Liebe – für Geld anbieten. Denn Kevin ist ein ganz normaler Mann.
Der Weg zum Callboy
Günstig ist Kevin nicht. „High Class“ spiegelt sich auch im Preis wider: 300 Euro kosten zwei Stunden „Social Time“ mit dem Gigolo – ohne Sex. Mit Zweisamkeit sind es 500 Euro. Eine Übernachtung gibt es ab 1500 Euro, ein ganzes Wochenende für 3000 Euro und eine Woche für 6000 Euro.
Frauen und Paare, die ihn buchen, haben zum Teil viel Geld. „Andere sparen aber auch monatelang für mich“, weiß der Sexarbeiter. Vor vier Jahren entschied sich Kevin, der auch im wirklichen Leben so heißt, dazu, Callboy zu werden. Nach einer langjährigen Beziehung war der Moment gekommen.
Mit seiner Freundin ging er zuvor häufig in Swinger-Clubs und mochte es, zu sehen, wie seine Partnerin eine schöne Zeit hat, wenn auch mit wem anders. Eifersucht kam nie auf, denn das Paar konnte Sex und Liebe immer trennen. Auch er konnte sich schnell auf fremde Menschen einlassen und hatte Freude daran, andere Frauen zu beglücken. Dabei merkte er schnell, dass er in dem, was er tut, ziemlich gut ist, wie er sagt. Nach der langjährigen Beziehung kostete er sein Single-Leben aus, hatte viele Dates und wechselnde Sexpartnerinnen. Eine von ihnen, die bereits Erfahrung mit einem Callboy hatte, sagte zu ihm: „Du wärst der perfekte Callboy.“ Und dann wurde er einer.
Warum Frauen einen Callboy buchen
Mittlerweile hat er einen Kundinnenstamm im dreistelligen Bereich. Sehr selten kommt es vor, dass die Frauen oder Paare ihn nur einmal buchen. Die meisten tun es immer wieder und auf einige freut er sich sogar, wenn er sie wiedersieht. Es geht nicht nur um Sex, das sagt Kevin ganz klar. Die meisten wollen es dann, aber es geht um das Gesamtpaket. Und am Ende um das Geschäft mit der Liebe. Gemeinsam geht er vorher mit „den Damen“ essen, tanzen, ins Theater, was auch immer sie wollen. Er fährt auch mit ihnen in den Urlaub. Möglich ist alles.

In der Zeit, die die Frauen gebucht haben, sind sie sein Mittelpunkt. „Es geht dann nur um die Frau und ihre Bedürfnisse“, sagt der 41-Jährige. Viele wollen reden, wollen, dass jemand ihnen zuhört. Andere wollen ausschließlich guten Sex, endlich einen Orgasmus, den sie aus der Partnerschaft nicht kennen. „Ich hatte noch keine, die keinen Orgasmus hatte“, sagt Kevin. Er habe Techniken und schaffe es immer, dass seine Kundinnen Dinge erleben, die sie noch nie erlebt hätten, erzählt er, zeigt mit den Fingern an seiner rechten Hand, was er dafür tun muss und lacht. „Wer Frauen glücklich machen will, braucht Hand und Zunge“, weiß Kevin genau.
Andere wollen sich ausprobieren, ihre Fantasien ausleben. „Ich habe genug Spielzeug, einen ganzen Koffer“, sagt Kevin und öffnet den Reißverschluss seiner Ausrüstung: „Ich habe mehr als die meisten Frauen.“ Auf der einen Kofferseite liegen schwarze Spielzeuge, Peitschen, Masken, alles für Bondage SM. Die andere Seite ist voller Dildos und Vibratoren in jeder Form und Größe. „Mit Stoßfunktion“, sagt er und führt den realistischen Gummi-Penis vor. „Er wird sogar warm.“ Gleitgel, Hygienemittel und ein Beutel voller Kondome liegen auch in einer kleinen Extra-Tasche bereit. „Ein Muss“, sagt er. Ohne läuft bei ihm nichts, sagt er. Als Callboy, erzählt Kevin, muss er sich ohnehin regelmäßig auf sämtliche Krankheiten testen lassen – und das rät er allen. Wenn alles „safe“ ist, macht Sex richtig Spaß.
Von Spaß bei der Arbeit bis Viagra
Und den hat er oft auch beruflich. Mit einigen Kundinnen hat er „richtig, richtig guten Sex“, sagt er. Bei anderen, da ist er ehrlich, wirft er vorsorglich auch Kamagra oder Viagra ein. Ablehnen aber würde er eine Kundin nie. „Jede Frau ist schön“, sagt er. Und am Ende komme es auf die inneren Werte an. Privat habe er zwar ein Beuteschema, aber das spielt in seinem Beruf keine Rolle. Manche Callboys wollen vorab Fotos der Kundinnen haben und entscheiden dann, ob es zu einem „Geschäft“ kommt. Ein No-Go für Kevin: „Wie muss sich eine Frau fühlen, wenn sie dann abgelehnt wird?“
Für ihn hat jede Frau Liebe und Zärtlichkeit verdient. Es sei elementar. Deshalb sei es egal, wie alt die Frau sei. Seine Kundinnen sind zwischen 20 und 72 Jahre alt. Die meisten aber sind zwischen 35 und 60 Jahre. Geklappt habe es bisher immer. „Er funktioniert gut“, sagt er und lacht. Merkt aber auch an, dass sein Beruf hart sein kann – aber vor allem wichtig.
Heimliche Affäre oder Pep für die Beziehung
Verschiedene Dinge treiben die Frauen zu dem Mann im perfekt sitzenden Anzug, mit den tiefbraunen Augen und dem sympathischen Lächeln. Die einen sind Single und buchen Kevin für Zweisamkeit und Sex. Von ihnen wollen viele privat gar keine Beziehung, weil sie zu viel arbeiten oder schlechte Erfahrungen gemacht haben. Affären aber sind den meisten als Alternative zu anstrengend, weil sich zu oft einer von beiden verliebt – und dann tut es weh und wird kompliziert. Bei einem Callboy kann das nicht passieren. Die anderen betrügen heimlich ihren Partner. Das sind nicht wenige, weiß der 41-Jährige. Er schweigt.
Dann gibt es noch Paare, die Kevin für ein sexuelles Abenteuer buchen. „Ich bin hetero“, betont Kevin. Mit dem Mann wird er nicht intim. Manchmal sind es die Männer selbst, die für ihre Frauen den Callboy buchen – weil sie selber „nicht mehr können“, ihrer Frau etwas Gutes tun oder mehr Pep in die Ehe bringen möchten. Oft wollen sie so eine Affäre verhindern, die die Partnerschaft durch eine Fremdliebe gefährden könnte. Bei Kevin bleibt es bei Sex. Und das können viele, so wie er, gut trennen.
Hilfe nach Gewalt und Vergewaltigungen
Einzelne Frauen kommen, weil sie schlechte Erfahrungen gemacht haben, zum Teil vergewaltigt wurden. Kevin zeigt ihnen wieder, wie schön Sex sein kann, und arbeitet auf, was andere Männer zerstört haben. Auf seiner Internetseite gibt es einige Erfahrungsberichte von Frauen, die Kevin bereits gebucht haben (» INFOKASTEN). Klaudia schrieb ihm zum Beispiel: „Hallo Kevin, ich bin dir so dankbar für all die wundervollen Momente, die du mir geschenkt hast. Du hast mich nach einer sehr schweren Zeit zurück ins Leben geholt und mir gezeigt, dass es noch viel mehr gibt. Es ist der Start in mein neues Leben geworden.“ Ein Aspekt, der vielen nicht bewusst, aber von großer Bedeutung ist. Nicht umsonst hatte Kevin ein Interview mit einer Sexualtherapeutin. Es sind gerade diese Geschichten, die auch Kevin berühren und nicht einfach kalt lassen.
Erfahrungen der Frauen
Auf der Internetseite des Callboys Kevin gibt es einige Erfahrungsberichte von Frauen, die den Dortmunder gebucht haben:
Kristin schreibt: „Ich hatte Lust, etwas völlig Verrücktes zu tun. Die beste Idee meines Lebens.“
Vivi schreibt: „Kevin…Er stellt alles auf den Kopf und alles gleichzeitig an den richtigen Platz… Danke für ein unvergessliches Wochenende. Danke fürs Ein-Norden.“
Katja schreibt: „Ich bin seit Jahren verheiratet. Die ersten Jahre liefen besonders gut. Die letzten leider sehr schlecht. Sonst wäre ich auch nicht auf die Idee gekommen, dich zu kontaktieren. Mir hat die Nähe eines Mannes gefehlt. Und ich hatte sehr große Sehnsucht danach. […] Was danach geschah, war für mich der Wahnsinn. Du hast mir diese Nähe gegeben und noch viel mehr. Was ich jahrelang so sehr vermisst habe.“
Wenn man den Sexarbeiter fragt, warum er Callboy ist, sagt er: um Frauen glücklich zu machen und ihnen zu zeigen, wie Liebe und Sex eigentlich aussehen. Wie schön es sein kann. Frauen sollen sich wohlfühlen und fallen lassen können. Er will den Frauen in den Stunden mit ihm zeigen, wie wichtig auch ihre Bedürfnisse sind. Viele Männer, so hört er es häufig, beachten ihre Partnerinnen viel zu wenig. Er versucht der zu sein, den sie sich wünschen.
Er selbst hat momentan keine feste Freundin, kennt die echte Liebe aber nur zu gut. Er sucht nicht, sagt er. Das Leben passiert und er lässt es geschehen. „Wer sucht, wird nie jemanden finden. Das Leben bringt Menschen zusammen“, glaubt der Dortmunder. Falls seine Partnerin möchte, dass er mit dem Job aufhört, würde er es tun. Bis dahin verdient er sich einiges dazu – denn einen Hauptberuf hat er auch noch. Er ist Glühtechniker.
Das Geschäft in der Corona-Pandemie: Harte Zeiten für Prostituierte
In Zeiten von Corona war auch sein Geschäft eingeschränkt. Hotels, in denen er sich meistens mit Frauen oder Paaren trifft, waren geschlossen. Die Folge waren weniger Kundinnen, sagt er. Aber zum Erliegen kam es nie. Denn neben der Angst war gerade in diesen Zeiten der Wunsch nach Nähe bei vielen sehr stark. Bedingungen waren dann negative Corona-Tests. Mit Frauen, die nicht gerade fremdgehen wollten, traf er sich dann oft bei ihnen zuhause. Wer einen geheimen Ort brauchte, ging leer aus und Hotels wurden storniert.
Alles nichts gegen die Situation der Prostituierten, die Kevin anreißt. Er kennt einige Frauen, die in Bordellen arbeiten. Dass sie so wenig Geld verdienen und schlecht behandelt werden, findet er nicht richtig. Ihr Ansehen in der Gesellschaft auch nicht. In der Pandemie waren die Bordelle zwischenzeitlich geschlossen. Die Konsequenz: anschaffen gehen. In fremde Autos steigen, fremde Wohnungen betreten. Ein hohes Risiko, dem sich die Frauen für wenig Geld aussetzen mussten. Kevin holt den Beruf aus dem Tabu heraus. Und zeigt auch, wie es laufen sollte: mit Respekt.
Jetzt geht das Geschäft wieder los. Reisen sind möglich, Besuche in Restaurants, im Theater oder in Clubs ebenfalls. Er genießt es, auf diese Weise viele Menschen sehr privat kennenzulernen. Ihn faszinieren die Geschichten der Frauen. Verlieben wird er sich nie, meint er. „Wobei man niemals nie sagen sollte“, sagt Kevin und lacht. Anders ist das bei den Frauen. Er ist genau ihr Beuteschema und sie haben wunderbare Zeiten miteinander. Vor allem die älteren Frauen verlieben sich oft. Wenn Kevin am nächsten Morgen geht, weinen sie schon mal. Aber das ist der Job. Die Frauen wissen das. Es war nur Liebe auf Zeit.
Mehr Informationen zu Kevin gibt es auf seiner Seite oder im Callboy-Verzeichnis.
Quelle: www.come-on.de