„Das war jetzt Indien. Die Unterschrift krieg ich noch.“ Vertriebsleiter Tobias Völkel strahlt zuversichtlich, als er nach einem Telefonat mit seinem Handy in der Hand in den Garten eines Hauses am Rand der Villenkolonie in Gauting zurückkommt. Die Firma Sinn Power hat hier im Landkreis Starnberg in einem unauffälligen Wohnhaus ihren Sitz. Philipp Sinn hat das Unternehmen vor acht Jahren gegründet.
Er konstruiert und baut Solaranlagen, die auf dem Wasser schwimmen, auf einem See, in einer Lagune oder auch auf dem offenen Meer. Diese Idee ist gerade gefragt wie noch nie. Sinn und Völkel rechnen fest damit, dass sie noch heute die ersten Anlagen verkaufen und aufbauen. Fast täglich verhandeln sie derzeit mit Interessenten. Dabei geht es um ein Auftragsvolumen von vielen Millionen Euro.
Anfragen kommen aus der ganzen Welt. Seit der Intersolar vor zwei Wochen in München, einer in der Branche beteiligten Messe, werden es noch mehr. Addiert man all diese Anfragen zusammen, geht es um eine Leistung von etwa einem Gigawatt. Das ist eine ganze Menge. Vor allem aus Europa kommen die Interessenten, aber auch aus Ländern wie Indonesien, Malediven, El Salvador oder Kolumbien.
Oder eben aus Indien, wo eine Firma erwägt, Stauseen zu nutzen, um dort eine der Plattformen „Made in Gauting“ zu installieren. „Das Interesse ist gigantisch“, sagt Firmengründer Sinn. Und das in einer Zeit, in der die Abkehr von konventionellen Energieträgern zur Stromproduktion immer wichtiger wird und Alternativen gesucht sind.
Eines seiner Solaranlagen-Modelle schwimmt auf einem Perchtinger Weiher
Wie die Technik funktioniert, demonstriert der 44-Jährige an Modellen, die er auf Biertischen im Garten des als Büro genutzten Wohnhauses aufgebaut hat. Von der einfachen Plattform mit Solarzellen, die auf stillen Gewässern wie Seen eingesetzt werden können, bis zu einem komplizierten Konstrukt fürs Meer, das auch hohe Wellen aushält und nicht nur mit Photovoltaikanlagen ausgestattet werden kann, sondern auch mit Windrädern und einer Mechanik, die den Wellengang nutzt, um Strom zu produzieren. „Damit sind wir die Einzige auf der Welt“, sagt Sinn nicht ohne Stolz. Weltweit scheint man nun auf ihn und seine Idee aufmerksam geworden zu sein.
So könnten Solaranlagen auf dem Meer aussehen – wie hier illustriert anhand von Chicago.
(Foto: Shutterstock/Sinn Power)
Vertreter von Stromversorgern hätten sich gemeldet, außerdem eine ganze Reihe von Mineralölkonzernen. Auch für sie könnten die Konzepte von Sinn Power interessant werden. Es ist noch Zukunftsmusik, aber Sinn könnte sich vorstellen, rund um Bohrplattformen, die jetzt noch Gas oder Öl nach oben fördern, schwimmende Solaranlagen anzubringen, den Strom zu verwenden, um Wasserstoff zu produzieren und den in den bisher genutzten Pipelines an Land zu schicken.
Auf einem kleinen Weiher in Perchting schwimmt eine Testanlage mit Solarpaneelen.
(Foto: Sinn Power)
Und warum Photovoltaik ausgerechnet auf dem Wasser? Es ist eine Platzfrage. „Der Flächenverbrauch“, sagt Sinn. „Es sind gigantische Flächen, die man braucht.“ Und da böten sich diverse als Gewässer Alternative an. Die Standardgröße seiner schwimmenden Plattformen ist 72 mal 72 Meter. „Das ist ein ganz großer Wachstumsmarkt, der Floating-Bereich“, sagt Sinn. Und vielleicht spielt auch eine Rolle, dass sich der Gautinger Unternehmer im Wasser schon immer besonders wohl gefühlt hat. Er schnorchelt gerne, geht zweimal pro Woche zum Schwimmen.
Anfragen kommen aus der ganzen Welt
Seit 2016 betreibt er Versuchsanlagen in Heraklion, der Hafenstadt auf der griechischen Insel Kreta. Dort wird getestet, wie sich aus den Bewegungen von Meereswellen Strom gewinnen lässt. Das Wasser hebt dort in regelmäßigem Takt Schwimmkörper an, die an Konstruktionen an der Hafenmauer befestigt sind. Auch eine 24 mal 24 Meter große schwimmende Plattform ist dort im Testbetrieb. Sinn unterhält dort auch ein Büro.
Er hat einen prominenten Vater: Der Wirtschaftswissenschaftler Hans-Werner Sinn war bis 2016 Präsident des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung. Sohn Philipp hat auf einer Privatschule in Nymphenburg Abitur gemacht, auf dem Kings College in London Wirtschaftsingenieur studiert und in München in Maschinenbau seinen Master gemacht.
Ein Tüftler war er schon immer. Mit Anfang 20 habe er sein erstes Patent angemeldet, erzählt er: Eine spezielle Mechanik für die Snowboard-Bindung, die es ermöglicht, den Fuß zu drehen, so dass die Fahrt in einem Schlepplift nicht ganz so unbequem ist. Es blieb bei der Idee. Das Thema seiner Dissertation über die Gewinnung von Strom aus den Bewegungen von Wellen sollte jedoch wegweisend für seinen späteren Berufsweg werden. Mit Hilfe einer Förderung gegründet er 2014 seine Firma, die mittlerweile fast 30 Mitarbeiter hat. Durchschnittsalter laut Firmeninfo: 28 Jahre.
Eines seiner PV-Modelle schwimmt auf einem kleinen Weiher bei Perchting. Doch dort gibt es gerade noch Probleme mit der passenden Genehmigung. Sinn besteht auf einer pragmatischen Lösung im Einvernehmen mit dem Starnberger Landratsamt. Anschließend dient das Anschauungsobjekt auch zum Herzeigen für Gäste. Und eigentlich würde er zu gerne im Landkreis einen geeigneten Platz finden, einen Baggersee zum Beispiel, um dort eine seiner Anlagen zu installieren und hier Strom damit zu produzieren. Nicht nur in Indien und anderen Ländern der Erde.
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Quelle: www.sueddeutsche.de