Interview Jürgen Barke
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„Ich will nicht hofiert werden“
Hat sich viel vorgenommen: Jürgen Barke, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitales und Energie im Kabinett von Ministerpräsidentin Anke Rehlinger.
Foto: dpa/Harald Tittel
Saarbrücken Von Ford bis SVolt: Jürgen Barke, den neuen Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitales und Energie, erwarten einige Baustellen. „Die Themen Wirtschaftspolitik, Transformation und Strukturwandel sind meine Leib- und Magenthemen. Wer mit mir redet, der spürt, dass ich eine große Leidenschaft dafür habe“, sagt Barke im SZ-Interview.
Herr Barke, sind Sie als Minister schon angekommen?
JÜRGEN BARKE Ich bin auf dem besten Wege anzukommen. Obwohl ich zehn Jahre Staatssekretär in diesem Haus war und durchaus eine Rolle hatte, ist diese nun eine andere. Ich hätte mir nie vorgestellt, dass es so sein würde, aber selbst Leute, die mich gut kennen, nehmen mich jetzt anders wahr.
Was heißt andere Wahrnehmung?
BARKE Sie sagen plötzlich „Herr Minister“ zu mir. Dann antworte ich, sie sollen die Förmlichkeiten lassen. Es hat sich ja nicht wirklich etwas verändert. Ich persönlich war immer der Auffassung, dass ich eine gute Rolle in der zweiten Reihe spiele. Die Rolle werde ich weiterspielen, nur eben jetzt aus der ersten Reihe. Ich will auch nicht hofiert werden.
Ist die Gefahr abzuheben nicht groß?
BARKE Das ist eine Frage der Persönlichkeit. Ich halte mir zugute, dass ich viel arbeite. Ich bin tief drin in den Themen und nicht auf Effekthascherei aus.
Sie haben früher wiederholt gesagt, dass Sie sich als Manager im Hintergrund wohlfühlen. Was hat Sie am Ende dann doch bewogen, Minister zu werden?
BARKE Die Themen Wirtschaftspolitik, Transformation und Strukturwandel sind meine Leib- und Magenthemen. Wer mit mir redet, der spürt, dass ich eine große Leidenschaft dafür habe.
Der Zuschnitt des Ministeriums wurde verändert. Wo sehen Sie Vorteile?
BARKE Mit Wirtschaft, Innovation, Digitales und Energie sind wir der Servicedienstleister für die Menschen und die Wirtschaft in diesem Land. Wir können uns klar konzentrieren auf die zentralen Herausforderungen: Arbeitsplätze halten, neue Arbeitsplätze schaffen, diversifizieren, das Ansiedlungsgeschäft und den Forschungstransfer organisieren. Das Rüstzeug dafür habe ich. Dadurch, dass die Technologieförderung aus der Staatskanzlei in unser Haus kommt, wird der Instrumentenkasten der Möglichkeiten nochmals erweitert. Wir haben den Anspruch, mit allem was wir tun und wofür wir auch Steuergelder einsetzen, einen Mehrwert zu produzieren, der klar erkennbar wird.
Bei welchem Thema wird dieser Mehrwert als erstes erkennbar sein?
BARKE Diversifizierung und Ansiedlungsgeschäfte. Die Frage wird sein, wie uns das gelingt. Und wie wir es mit unseren zur Verfügung stehenden Instrumenten schaffen, Unternehmen in schwierigen Situationen weiter zu begleiten. Auch als Minister bleibe ich immer ansprechbar für Unternehmen in Krisen. Mit Staatssekretärin Elena Yorgova-Ramanauskas habe ich eine Fachfrau an meiner Seite, die die Kompetenz in unserem Haus abrundet. Wir beide werden uns ergänzen. Allerdings werde ich die Rolle, in Krisen ins Management einzusteigen, nicht ablegen. Ich werde nach wie vor auch persönliche Risiken eingehen, wenn es notwendig ist, um den Standort oder einzelne Unternehmen nach vorne zu bringen.
Was ist die entscheidendste Trumpfkarte, um ein Unternehmen ins Saarland zu holen?
BARKE Wir können zwar nicht mit Geld um uns schmeißen, aber wir können Unternehmen einen maßgeblichen Mehrwert bieten. Abgesehen von der zentralen Lage in Europa und dem Zugang zum europäischen Markt bieten wir Problemlösungen aus einer Hand. Internationale Unternehmen kennen zum Beispiel unser Baurecht nicht, kennen sich nicht aus in den Bundesemissionsschutzregeln. Wir organisieren Runde Tische, wir können Referenzen und Erfahrungen aus anderen Projekten bieten: Von Nobilia bis hin zu SVolt. Solche Unternehmen kommen zu uns, weil wir ihnen ein „Rundum-sorglos-Paket“ bieten. Dazu gehört auch ein interessantes Umfeld. So haben wir im Saarland viele exzellente forschungsnahe Einrichtungen. Wir können beweisen, dass wir trotz der Herausforderungen, etwa durch die Transformation, auch perspektivisch hinreichend Arbeitskräfte verfügbar haben, um neu zu schaffende Arbeitsplätze auch zu besetzen.
Ihre erste Herausforderung haben Sie schon angenommen: wie beurteilen Sie das Treffen mit dem Ford-Management in den USA? Sind aus Ihrer Sicht die Chancen für Saarlouis gestiegen?
BARKE Die Reise nach Detroit war richtig und wichtig. Wir haben der Konzernleitung unser Paket auf den Tisch gelegt und nochmal die volle Unterstützung der saarländischen Landesregierung für eine Zukunft am Standort Saarlouis versichert. Unser Eindruck vom Treffen zeigt, dass der Ausgang offen ist.
War es richtig den persönlichen Kontakt nochmal zu suchen? Hat sich dadurch etwas verändert?
BARKE Die Reise war unverzichtbar. Zwar ist die Standortfrage letztendlich eine Unternehmensentscheidung. Aber gemeinsam mit Ministerpräsidentin Anke Rehlinger haben wir den Saarländerinnen und Saarländern versprochen, nichts unversucht zu lassen. Genau das haben wir getan. Es geht darum, das Vertrauen zu vertiefen – das ist uns gelungen.
Schiefgelaufen in der Kommunikation, von der gesamten Landespolitik bis hin zur Kommunalpolitik vor Ort, ist die geplante Ansiedlung von SVolt. Die Bürgerinnen und Bürger wurden in der Anfangsphase des Projektes nicht mitgenommen. Anders erklärt sich die große Protestwelle nicht.
BARKE Der offiziellen Verkündung der geplanten Ansiedlung des chinesischen Unternehmens ging ein einjähriger Prozess voraus. Es gab einen europaweiten Wettbewerb mehrerer Standorte. Innerhalb dieses Prozesses war absolute Vertraulichkeit vereinbart. Wie will man da im Vorfeld Leute mitnehmen? Ab dem Zeitpunkt, als es möglich war, haben wir alle Anstrengungen unternommen. Wir erklären immer wieder, warum diese Ansiedlung für die Zukunft des Saarlandes so wichtig ist. Es geht auch um weniger Abhängigkeit vom rein konventionellen Antriebsstrang bei Fahrzeugen. Wir bereiten generell die Reaktivierung von Industriebrachflächen vor. Dazu gehört auch, dass wir das Kraftwerksgelände in Ensdorf erwerben wollen. Allerdings wäre dieses Gelände für SVolt zu klein.
Ganz offen: Haben Sie mit dieser Welle der Proteste gerechnet?
BARKE Ja, natürlich. Es gibt eine Reihe interessierter Menschen, die sich gegen eine solche Ansiedlung in ihrem Umfeld wenden. Man hat immer Widerstand gegen Projekte. Am Ende muss man gut erklären, schauen, dass man die größtmögliche Zustimmung bekommt – aber auch damit leben, dass man nicht alle mit Argumenten überzeugen kann.
Können Sie sicher sein, dass die Ansiedlung gelingt? Oder wird sie nicht vielleicht doch am Ende an Widerständen scheitern?
BARKE Ich bin sicher, dass es uns gelingt, diese Fläche, die übrigens nicht erst seit SVolt diskutiert wird, für die Industrie vorzubereiten.
Es würde also selbst dann eine Industriefläche daraus, sollte SVolt nicht hierherkommen?
BARKE Eine Maßnahme ist nicht dadurch verhindert, dass Menschen zu Recht ihren Protest äußern. Sondern eine Maßnahme ist dann zu genehmigen, wenn die planungsrechtlichen Voraussetzungen gegeben sind und die kommunalen Gremien vor Ort die Bauleitung durch entsprechende Beschlüsse auf den Weg bringen. Ein Fehler wäre es aber, dort zu voreilig Beschlüsse zur Abstimmung zu stellen, ohne die Menschen mitzunehmen.
Wie viel Zeit geben Sie dem Projekt?
BARKE Bis Herbst muss es entschieden sein. Kann es auch.
Aber es kann auch passieren, dass ein großer Protest dagegen bleibt und man dann mit diesem Restgefühl leben muss?
BARKE Ja. Damit müssen wir leben, genauso etwa beim weiteren Ausbau der Windkraftanlagen.
Es muss einen doch beunruhigen, dass die Proteste im Industrieland Saarland wachsen. Offenbar sinkt die Akzeptanz für die Industrie.
BARKE Ja, Umfragen zeigen, dass Industriepolitik an Akzeptanz verloren hat. Mich beunruhigt das aber nicht. Denn es ist eine gesellschaftliche Entwicklung, mit der wir umgehen müssen. Erste Proteste gegen Industrie hat es im Übrigen schon Ende der 60er-Jahre gegeben. Es ist also nicht so, dass dies ein völlig neues Phänomen ist.
Also sollte man es nicht überbewerten?
BARKE Ich würde es nicht überbewerten. Weil ich von der Industrie überzeugt bin. Weil sie künftig grün und auch in Zukunft gebraucht wird, wenn auch deutlich diversifizierter. Begleitend zur Industrie brauchen auch noch mehr Arbeitsplätze in den Bereichen Forschung und Entwicklung, mehr Ausgründungen in Hochschulen und mehr industrienahe Dienstleistungen.
Was dürfen wir in den Bereichen Innovation und Digitalisierung erwarten, die nun auch zu ihrem Haus gehören?
BARKE Es geht darum, das Zusammenspiel der Kräfte deutlich besser zu organisieren. Wir werden die Digitalisierung vorantreiben und Forschungsergebnisse in die Unternehmen tragen. Mein Anspruch ist, dass das Saarland das schnellste Bundesland im Gigabit-Ausbau ist. Schnelligkeit heißt, Zielvorgaben zu machen, Prozesse zu definieren und parallel die Themen anzugehen. Allerdings haben wir nicht den Anspruch, das Land alleine zu digitalisieren. Gute Fachleute begleiten uns dabei.
Das Gespräch führten Theresa Prommersberger und Thomas Sponticcia
Quelle: www.saarbruecker-zeitung.de