Konzertkritik
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Placebo bei Rock am Ring: Alles andere als das bittere Ende
Nicht nur die Fans haben Spaß: Auch Placebo-Frontmann Brian Molko hat am Samstagabend auf der Hauptbühne bei Rock am Ring offensichtlich eine gute Zeit.
Foto: dpa/Thomas Frey
Nürburgring Nicht nur Rock am Ring ist zurück. Auch Placebo. Am Samstagabend beweisen die britischen Alternativrocker, warum sie nach neun Jahren Albumpause und mehr als 30 Jahren im Geschäft immer noch zu den Besten gehören. Einen Wermutstropfen hat der Auftritt allerdings.
Es klingt ziemlich verzerrt, auch ein wenig sperrig – und trotzdem ist es immer noch der unverkennbare Sound von Placebo: Mit dem Harfen-Intro von „Forever Chemicals“ eröffnen die britischen Alternativ-Rocker ihre Show bei Rock am Ring. Es sind diese wuchtigen Gitarrenriffs, die nasal-schneidende Stimme von Sänger Brian Molko, die sich seit dem Durchbruch der Band Mitte der 1990er Jahre in die Herzen so vieler Fans gebrannt haben.
Placebo 2022 klingen immer noch sehr vertraut und trotzdem etwas anders. Der Sound ist breiter aufgestellt. Nach neun Jahren Album-Pause sind sie zurück mit ihrer achten Platte „Never let me go“. Deren Songs entstanden erst, nachdem Titel und Cover schon feststanden.
Dass dieses Experiment gelungen ist, finden offenbar viele Fans am Ring. Sie feiern nicht nur die großen Hits, sondern auch die neuen Stücke wie den Lovesong „Beautiful James“, bei dem Synthesizer statt der Gitarren die Hauptmelodie übernehmen. Auch textlich haben sich Placebo weiter entwickelt. Zu den typischen Themen wie Depressionen, toxische Beziehungen und Drogen gesellen sich moderne Themen der 2020er: digitale Überwachung durch Großkonzerne („Surrounded by spies“) oder Kritik an der drohenden Öko-Katastrophe („Try better next time“).
Wie die Fans die neuen Songs, hat Sänger Brian Molko – ganz in Schwarz gekleidet mit violettem Lidschatten und Schnurrbart – das Publikum vor der Hauptbühne schnell ins Herz geschlossen. Er spricht ungewohnt häufig mit den Fans, lobt sie als „fucking amazing audience“ und verspricht ihnen „viel Spaß“. Und den haben sie auch. Spätestens bei „The Bitter End“ ist der Höhepunkt der Show erreicht, springen die ersten Fans in Moshpits über den Platz. Im Programm sind auch Hits wie „For what it‘s worth“ und „Too many friends“, während Molkos Gesicht in wechselnden Neontönen über die zwei Leinwände neben der Bühne flimmert. Den wohl bekanntesten Placebo-Song, dem die Briten damals ihren endgültigen Durchbruch verdankten, dürften aber einige Fans vermisst haben. „Every you, every me“, Ende der 1990er auf dem Soundtrack des Filmdramas „Eiskalte Engel“ fehlt auf der Setliste. Ein wenig Enttäuschung spiegelt sich daher auf manchem Gesicht, erst recht als die Band nach etwas mehr als einer Stunde ohne Zugabe hinter dem Vorhang verschwindet.
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Wer Placebo bei Rock am Ring verpasst hat, hat übrigens in diesem Jahr noch mehrere Gelegenheiten, sie live zu bewundern. Im Oktober starten sie zur Deutschlandtour mit Konzerten unter anderem in Frankfurt und Köln. In der Region machen sie ebenfalls Station: am 4. November in der Rockhal in Esch/Luxemburg.
Quelle: www.volksfreund.de