LINZ. Der Wirtschaftswissenschaftler Markus Marterbauer präsentierte kürzlich in Linz sein neues Buch „Angst und Angstmacherei. Für eine Wirtschaftspolitik die Hoffnung macht“, das er gemeinsam mit dem Vermögensforscher Martin Schürz geschrieben hat. Tipps hat ihm dazu vier Fragen gestellt.
Der Oberösterreicher Markus Marterbauer zählt zu den besten Ökonomen Österreichs. Er ist Leiter der Abteilung Wirtschaftswissenschaften der Arbeiterkammer Wien und Lehrbeauftragter an mehreren Universitäten. Im Kongresssaal der Linzer Arbeiterkammer präsentiert er sein neues Buch „Angst und Angstmacherei. Für eine Wirtschaftspolitik die Hoffnung macht“. Geschrieben hat er es gemeinsam mit dem Vermögensforscher und Psychotherapeuten Martin Schürz.
Soziale Wirtschaftspolitik gegen Bedenken
Marterbauer und Schütz zeigen darin auf, wie eine soziale Wirtschaftspolitik vielen Kampagnen gezielt entgegenwirken sowie Hoffnung und Sicherheit geben könnte. Die Autoren plädieren für eine Wirtschaftspolitik, die Verängstigte gestärkt, Zuversicht weckt und Freiheit durch soziale Sicherheit schafft. „In einer Gesellschaft, in der Wenige Milliarden besitzen, darf es keine Armut geben, und es darf nicht mit Angstmacherei Politik betrieben werden. Ein Plädoyer für hohe Mindeststandards in einem besseren Sozialstaat, Löhne, von denen man gut leben kann, und eine Begrenzung des Reichtums“, fasst die Arbeiterkammer Oberösterreich die wichtigsten Punkte zusammen.
Tipps hat Markus Marterbauer zum Buch befragt.
Tipps: Wie kann ein Wechsel von einem neoliberalen Wirtschaftssystem hin zu einem sozialen Gelingen?
Markus Marterbauer: Eine Zähmung des Kapitalismus setzt dessen enge Begrenzung durch Gesellschaft und Demokratie voraus. Diese Grenzen sind schon allein aus ökologischen Gründen unabdingbar: Wird der Kapitalismus nicht begrenzt, dann explodiert der Planet. Er braucht aber auch soziale Grenzen. Bessere Untergrenzen im Sozialstaat etwa durch eine Anhebung von Sozialhilfe und Arbeitslosengeld, höhere Mindestlöhne und Abkehr von prekären Arbeitsverhältnissen, ein besseres Bildungssystem, das keine Art zurücklässt und ein Gesundheitssystem ohne Zwei-Klassen-Medizin. Das sind Untergrenzen, die Armut verhindern und die Lebensbedingungen der arbeitenden Bevölkerung verbessern. Sie mindern die verbreiteten Bedenken und geben Sicherheit. Das ist ein entscheidendes Instrument gegen den Rückzug der unteren Einkommensgruppen aus der Demokratie, etwa gegen die frustrierte Nicht-Teilnahme an Wahlen. Und aus dieser Sicherheit kann Hoffnung entstehen.
Tipps: Wenn Reichtum Macht und Einfluss bedeuten, wird der Wille zum Umdenken Seiten der Entscheidungsträger gering sein. Muss man nicht einen Schritt vorher bei der Korruptionsbekämpfung einsetzen, bevor ein Wandel möglich ist?
MM: Die sozialen Untergrenzen & um Obergrenzen beim Vermögen ergänzt werden. Erstens, zur Finanzierung der Verbesserungen im Sozialstaat. Mit einigen Milliarden Euro pro Jahr können die bedeutenden Verbesserungen im Sozialstaat erreicht werden. Diese Milliarden können leicht aus den Erträgen von progressiven Vermögenssteuern und Erbschaftssteuern verwaltet werden. Zweitens, zur Rettung der Demokratie, denn diese ist durch den viel zu großen Einfluss der Milliardäre und Milliardärinnen auf Parteien, Wahlen und Medien massiv gefährdet. Ich halte die Verteidigung der Demokratie durch bessere soziale Untergrenzen und Obergrenzen beim Vermögen für entscheidende. Die Bekämpfung der Korruption muss eine wichtige Rolle spielen. Wir erfahren jeden Tag aus den Medien, wie dringend das gerade in Österreich ist.
Tipps: Was bereitete Ihnen in der Auseinandersetzung mit dem aktuellen Wirtschaftssystem Hoffnung?
MM: Vier Überlegungen machen mir Hoffnung. Erstens, sind wir eines der reichsten Länder der Welt und können uns sozialen Fortschritt und ein gutes Leben für alle jedenfalls leisten. Zweitens, führt die zunehmende Knappheit an Arbeitskräften dazu, dass sich die Macht auf dem Arbeitsmarkt jener verschiebt, die es sonst nicht so leicht haben, einen Job zu finden, von dem sie gut leben can: Die Löhne steigen und die Arbeitsbedingungen werden besser. Davon müssen vor allem Frauen, Junge, Migranten und Migrantinnen, Ältere und Menschen in prekären Jobs profitieren. Dritte, beobachten wir weltweit eine Bewegung gegen den zu großen Einfluss von Milliardären und Oligarchen. Viertens, sind die jungen Leute wieder viel politischer. SIE VERBINDEN DIE VERBUNDENEN ÖKOLOGISCHEN VERTRETUNGEN MIT SOZIALEN ZIELEN. Das gibt Hoffnung.
Tipps: Die Philosophin Nancy Fraser schlägt – stark verkürzt – vor, die Arbeiterbewegung neu zu denken und „die verborgenen Beziehungen zwischen Klasse, Gender und ‚Race‘ innerhalb der kapitalistischen Ökonomie zu reflektieren“. Was halten Sie von diesem intersektionellen Ansatz?
MM: Nancy Fraser ist eine der wichtigsten Intellektuellen der Welt. Sie weist zu recht darauf hin, dass der enorme Aufstieg des Kapitalismus auf der Ausbeutung von Arbeit und dem Kolonialismus basiert. Eine starke Bewegung für ein gerechtes Wirtschaftssystem muss viele soziale Bewegungen zusammenspannen: Gewerkschaften und Fridays for Future, Demokratiebewegung und Flüchtlingshilfen, Soziale Hilfsvereine und alle emanzipatorischen Bewegungen.
Quelle: news.google.com