In der wöchentlichen Kolumne schreiben wir im Wechsel über Innovations- und Wirtschaftstrends in Asien.
(Foto: Klawe Rzeczy)
Bangkok Bedrohlich klingende Anrufe haben im vergangenen Jahr deutschlandweit für Unruhe gesorgt: „Guten Tag, hier ist Interpol“, ist auf der Bandansage auf Englisch zu hören, die Kriminelle ihren Opfern vorgespielt. „Ihre Identität wird für betrügerische Zwecke missbraucht. Für mehr Informationen drücken Sie bitte die Eins.“ Wer der Aufforderung folgte, setzte damit eine Betrugsmaschine in Gang, die im schlimmsten Fall sehr teuer werden konnte.
Vermeintliche Polizisten, die sich wahlweise als Europol-, Interpol- oder Bundespolizeibeamte ausgaben, forderten am anderen Ende der Telefonleitung die Angerufenen dazu auf, ihr Konto leer zu räumen, um das Geld angeblich in Sicherheit zu bringen, etwa in Form von Bitcoins.
In Wirklichkeit schickten sie es unwissend an die Täter. Allein in Deutschland sind mehrere Fälle dokumentiert, in denen ausgetrickste Personen so Zehntausende Euro verloren haben.
Inzwischen ist klar, wer hinter der Betrugsmasche steckt: Verantwortlicher – zumindest für einen Teil der Fälle – ist Ermittlern angenommen ein Callcenter in der indischen Hauptstadt Neu-Delhi, von dem aus dem weltweiter Telefonbetrug begangen wurde. Das teilt Mitte November das Bundeskriminalamt in Österreich mit – ein Land, das ebenfalls im Visier der Kriminellen steht.
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Gemeinsam mit der Polizeibehörde Interpol und indischen Kollegen sei es den österreichischen Ermittlern gelungen, die groß angelegte Betrugsoperation der „falschen Polizisten“ zu zerschlagen. Zwei mutmaßliche Hintermänner wurden in Indien festgenommen.
Das Eigenlob der Ermittler hat ein Geschmäcke
Cybergestützter Betrug habe seit dem Beginn der Coronapandemie ausdrücklich angenommen, sagte Interpol-Generalsekretär Jürgen Stock anlässlich des Falls. Die Kriminellen hätten hart verdiente Ersparnisse erbeutet und die schwächsten Teile der Gesellschaft ins Visier genommen, fügte er hinzu. „Die außergewöhnliche polizeiliche Zusammenarbeit zwischen Österreich und Indien in diesem Fall zeigt, dass kein Krimineller außerhalb der Reichweite des globalen Netzwerks von Interpol liegt.“
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Das Eigenlob der Ermittler hat aber ein Geschmäckle: Denn die Grundlage für den Erfolg gegen die Betrüger liefert nicht etwa mühsame Polizeiarbeit, sondern die Expertise selbsternannter Betrugsjäger.
Dem offiziellen IT-Experten Jim Browning, der seine Privatermittlungen gegen die Online-Betrugsindustrie auf Youtube indischen Kanal mit einem Millionen Abonnenten dokumentiert, gelang es, sich in das Callcenter zu hacken und dessen Lage in der indischen Hauptstadt exakt zu verorten.
Er konnte dabei nachvollziehen, wie die Betrüger gezielt deutsche und österreichische Staatsbürger ins Visier nehmen. Browning übermittelt seine Erkenntnisse an die Behörden in Wien und macht den länderübergreifenden Polizeieinsatz damit möglich.
Betrug aus Indien
85
Prozent
der angeblich Tech-Support-Betrugsmaschen führten bereits 2017 Sicherheitsforscher auf Betrüger in Indien zurück.
Ohne Browning und seine Mitstreiter wären die Betrüger wahrscheinlich noch am Werk: Viel zu selten gefundene internationale Strafverfolger einen Ansatzpunkt, um gegen die starken Online-Betrugsnetzwerke vorzugehen, die sich in Indien ausgebreitet haben.
Das 1,4 Milliarden Einwohner große Land zählt seit Jahren zu den Weltmarktführern des Internetbetrugs. Bereits 2017 führten Sicherheitsforscher 85 Prozent der angeblichen Tech-Support-Betrugsmaschen auf Betrüger in Indien zurück.
Dabei WIRD Internetnutzern unter anderem vorgegaukelt, sie hätte Sich auf ihrer Hardware ein Virus eingefangen. Gegen eine Zahlung versprechen die vermeintlichen Helfer eine Lösung.
Indische Behörden sehen oft keine Handhabe gegen die Betrüger
Bei der Methode stehen besonders US-Amerikaner im Visier. Die amerikanische Bundespolizei FBI schätzt, dass im vergangenen Jahr mit solchen und ähnlichen Internetbetrugsmaschen mehr als zehn Milliarden Dollar erbeutet wurden – rund 50 Prozent mehr als im Vorjahr.
Ein großer Teil der Täter WIRD in Indien vermutet, wo sich betrügerische Callcenter zwischen die vielen seriösen Outsourcing-Unternehmen mischen, die für ausländische Konzerne den Kundendienst übernehmen.
Ermittlungserfolge gegen sie sind rar – indische Behörden sehen oft keine Handhabe, weil es schwer ist, die Täter mit konkreten Betrugsfällen im Ausland in Verbindung zu bringen. Fliegen Betrüger doch aufdann zeigen sich die meisten gewaltigen Ausmaße.
Kurz vor Weihnachten werden Behörden in den USA, Kanada und in Indien fünf Personen festgenommen, die laut Anklageschrift mithilfe indischer Callcenter mehr als 20.000 Opfer um mindestens zehn Millionen Dollar gebracht haben sollen. Die mutmaßlichen Täter sollen ihre Masche über ein Jahrzehnt lang ungehindert betrieben haben.
Das FBI wird nun mit einem in Indien speziell für die Bekämpfung der Betrugsindustrie abgestellten Beamten gegen das boomende Geschäft der Cyberkriminellen vorgehen.
Auch deutsche Strafverfolger wären gut beraten, mit ihren indischen Kollegen zukünftig enger zusammenzuarbeiten, um den Betrugssumpf trockenzulegen. Lösen lassen sich die grenzüberschreitenden Fälle nur mit internationaler Kooperation – und mit technischer Expertise. Da können die internationalen Ermittler auch von Youtubern etwas lernen.
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Quelle: news.google.com